Dienstag, 13. Juni 2017

Mündige Stadträte

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Dauerfeuer statt Weihnachtsfrieden


Roßlau/MZ. -

Der Streit fand seine Ouvertüre bereits in der Beschlussfassung zur Tagesordnung. Die Verwaltungsvereinbarung zur schrittweisen Zusammenführung der Stadtverwaltungen von Roßlau und Dessau wollte die CDU-Fraktion - auch unter dem Eindruck der gemeinsamen Sitzung beider Hauptausschüsse in der Vorwoche - noch einmal in den Ausschüssen beraten, wohingegen die SPD-Fraktion - unterstützt von der Fraktion FDP / OffensiveD / Bürgerliste und Teilen der PDS - die Vereinbarung wie vorgesehen behandeln wollte.

Die Ratsmehrheit aber folgte dem CDU-Antrag mit 14 Ja-, neun Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen. Woraufhin Peter Vester (PDS) die Tagesordnung ergänzen wollte um einen zusätzlichen Punkt: Diskussion des Fusionsvertrages nach dessen Nicht-Genehmigung durch das Landesverwaltungsamt und nach diesbezüglichen Presseveröffentlichungen folgenden Irritationen in der Bürgerschaft. Während Kurt Brumme (CDU) meinte, dass der Vertrag in Ausschüssen und Rat sowie mit den Dessauer Kollegen schon ausführlich diskutiert worden sei - und damit signalisierte, dass die stärkste Kraft im Stadtrat den Antrag ablehnen würde, unterstützten Hans-Peter Dreibrodt (SPD) und Burkhard Bader (FDP) den PDS-Antrag. Während der Sozialdemokrat meinte, es sei "völlig unerheblich, was die Dessauer Stadträte meinen" und wie oft bereits über das Thema gesprochen worden sei, fand es der Liberale an der Zeit "etwas zu unternehmen gegen das Pressemonopol der Pressestelle Dessau". Den Gordischen Knoten zu lösen, oblag Sabine Knaut vom Rechnungsprüfungsamt: "Laut Gemeindeordnung ist es nicht gestattet, die Tagesordnung im öffentlichen Teil zu erweitern." Punktum. Die Tagesordnung wird mehrheitlich mit acht Gegenstimmen bestätigt.

Mitnichten aber war jetzt das Vorspiel der Ratssitzung beendet. Bei der Protokollkontrolle zur vergangenen Ratssitzung entdeckte Hans-Peter Dreibrodt in der Niederschrift seiner Auffassung nach unkorrekte Angaben. Hubert Pfennigsdorf (SPD) vermisste die von Bürgermeister Klemens Koschig zugesagte Antwort auf seine Frage nach den tatsächlichen Synergieeffekten der Fusion der Städte Dessau und Roßlau und wurde vom CDU-Flügel unter Hinweis auf die Geschäftsordnung ersucht, den nachfolgenden Tagesordnungspunkt "Anfragen der Stadträte an den Bürgermeister" zu nutzen.

Als der schließlich aufgerufen werden konnte, inzwischen hatte Koschig tatsächlich den Bericht der Verwaltung darlegen können, drehte sich im Kern schlussendlich wieder alles um die Städtefusion. Die Stadträte haben Fragen. Nüchtern sachbezogene sind dabei. So wollte Peter Vester wissen, ob die Stadt der Entscheidung des Landesverwaltungsamtes zur Genehmigungsversagung widersprechen werde. Hierzu laufen noch Gespräche mit dem Rechtsamt der Stadt Dessau, informierte Koschig über die schwierige Suche nach einer trefflichen Begründung für einen Widerspruch.

Danach prasselten Fragen auf den Bürgermeister, die wie Suggestivfragen zu einer vom Fragenden gewollten Antwort provozieren. Da erkundigte sich Bader danach, wann sich der Bürgermeister öffentlich bei den Bürgern dafür entschuldigen wolle, sie beim Bürgerentscheid durch Desinformation über einen von vornherein aussichtslosen Fusionsvertrag fehlgeleitet zu haben. Da kritisierte Dreibrodt erneut scharf die späte Information der Stadträte über den Entscheid vom Landesverwaltungsamt (die MZ berichtete). Pfennigsdorf rügte "ein Höllentempo", mit dem der Fusionsvertrag durchgepeitscht worden sei und fragte, ob Koschig "persönliche Konsequenzen" ziehen werde.

Wie vor ein Tribunal gestellt, bewahrte Koschig mühsam die Fassung. Suchte in jedem Fall eine Antwort, war aber offensichtlich unter dem Dauerfeuer persönlicher Anwürfe verletzt und außerstande zu wirksamen Kontern. Anderthalb Stunde nach Sitzungsbeginn beantragte er, den Tagesordnungspunkt "Anfragen" zu beenden. Die Mehrheit aus CDU, Neuem Forum und Frauenliste folgte ihm.

Jetzt ging der Rat wirklich noch über zum Haushaltskonsolidierungskonzept.




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